Philipp Prünster & Simon Messner am 28.06.2021

Zu dieser Route gibt es eine kleine Vorgeschichte: bereits im Jahr 2016 wollten Philipp Prünster und ich den markanten Riss im zentralen Bereich des Mittelpfeilers klettern bzw. wollten wir erkunden, ob dieser überhaupt kletterbar ist. Doch der Fels war uns zu brüchig. Somit richteten wir unser Augenmerk auf den Wandbereich zu unserer Linken… und stießen auf ein paar Felshaken.

“Schade, wirklich schade” dachte ich mir, “da ist schon jemand vor uns gewesen. Aber macht nichts, dann wiederholen wir eben eine Tour, die wir beide nicht kennen”… mit diesem Gedanken stieg ich weiter und kam schließlich zu einem Standplatz wo darüber ein dubios aussehender „Drahtbügel-Bohrhaken“ steckte. Darüber war nichts mehr: keine Haken, keine Schlinge, nur glatte Wand (nach unserer Einschätzung wohl 8a-Gelände!). Wir überlegen und beratschlagten uns lange, bis Philipp schließlich bereit war in die nächste Seillänge einzusteigen: „ich schaue mir das mal an… schon komisch!“, sagte er zu mir, dann kletterte er los. Zuerst gerade hoch, dann, nach einigen Metern, begann er nach links zu queren bis er um eine Ecke verschwand. Als ich schließlich – etwa zwei Stunden später! – nachstieg, verstand ich, wieso Philipp so lange für diese eine Seillänge gebraucht hatte: hinter der Kante erstreckt sich nämlich eine steile, glatte Platte. Mit großem Geschick und viel Ausdauer hatte Philipp diese Platte klettern können und er war nicht gestürzt, was gar nicht so abwegig war, denn in der Hoffnung, ein paar Meter höher oben eine Sicherung legen zu können, stieg Philipp ziemlich gerade durch diese Platte (Schwierigkeitsgrad VIII) und erreichte – am Ende seiner Kräfte und Nerven – doch nur eine lose Schuppe. Der einzige Haken, den er hier schlug, hätte einem Vorstiegssturz niemals standgehalten! Somit wurde diese Seillänge für Philipp zu einem einzigen Runout – bei einem Sturz wäre Philipp ziemlich sicher mit voller Wucht auf dem Felsband unter uns aufgeschlagen…

Fix und fertig und am Ende unserer Nerven (ich war im Nachstieg unerwartet gestürzt und hatte dabei einen 20-Meter-Pendelsturz riskiert!) kletterten wir die letzte Seillänge bis zu einem markenten Felsband und verließen dieses über die Ausstiegsrisse der Route „Mephisto“, welche zu unserer Linken auf dasselbe Felsband und weiter bis zum Gipfel führt. Am Gipfel angekommen schworen wir uns, bestimmt kein zweites Mal in diese Linie einzusteigen, bevor wir uns schweigend auf den Abstieg und zurück ins Gadertal begaben.

Im Sommer 2020 kamen wir dann doch wieder und konnten bei diesem Versuch die Schlüsselseillänge deutlich „entschärfen“, indem wir eine tiefer gelegene und einfachere sowie sicherere Links-Variante in der 3. Seillänge fanden (hier steckt ein Haken und zwei Sanduhren sind mit einer Schlinge versehen, VII+). Vom breiten Felsband weg kletterte ich bei diesem Versuch weit nach rechts bis ich sehr exponiert auf einer schmalen Leiste stand. Um die nächsten zwei Meter zu überklettern benötigte ich einige Zeit. Schließlich gelang es mir mich selbst zu überreden, diese Stelle zu überklettern (VIII). Weiter folgte ich einer Art Verschneidung bis ich einen sehr exponierten aber soliden Standplatz mit zwei Haken und Camalots einrichten konnte. Nachdem Philipp gefolgt war und den angegeben Grad bestätigen konnte, stiegen wir die letzte und nicht mehr allzu schwere Seillänge bis zum Gipfelplateau des Heiligkreuzkofel.

Die Rotpunktbegehung der gesamten Route glückte uns schließlich am 28. Juni 2021 wobei wir alle Seillängen in Wechselführung begingen (Vor- wie Nachstieg erfolgte dabei in freier Kletterei).

Über einen Routennamen mussten wir uns auch nicht lange Gedanken machen, denn welcher Name war besser geeignet als der „Sinnfresser“ – der Name einer Sagengestalt aus der tibetischen Mythologie. Dieses Sagenwesen – der „Sinnfresser“ – stellt mit herausgestreckter Zunge und jeden verhöhnend, einfach Alles und Jeden auf dieser Welt in Frage. Einen passenderen Namen hätten wir wohl kaum finden können!

Anmerkung: die Route „Sinnfresser“ weist zwingende Freikletterpassagen auf, der angegebene Grad sollte daher unbedingt beherrscht werden!

Die zwei in der Route gesetzten und hinterlassenen Bohrhaken sind höchst wahrscheinlich von einer Rettungsaktion eines vorhergegangenen Versuches zurückgeblieben (die Bohrhakenn sind also nicht von uns – wer mag benutzt sie, wer nicht mag, der mag eben nicht).

Material: NAA, Camalots bis Gr.2 und kleine Cams doppelt, einige Keile.

Zustieg: der untere Teil des originalen „Mittelpfeiler“ ist  ausgesprochen brüchig. Daher ist es ratsam über die „Mayerlverschneidung“ auf das große Zentralband zu klettern und dann zum Einstieg des Mittelpfeilers zu queren.

Abstieg: Vom Gipfel Richtung Süden, dann über einen Klettersteig Richtung Westen/Nordwesten absteigen und zurück zum Hospiz Heiligkreuz.

Wandhöhe: 550 Meter gesamt (davon etwa 250 Meter ab dem großen Felsband, siehe Topo)

 

Erster Versuch 2016: in der 2. Seillänge von „der Sinnfresser“ am Heiligkreuzkofel.

Simon in der 4. Seillänge (vorletzte Seillänge, VIII) im Jahr 2020.

Die letzte Seillänge führt über nicht mehr allzu schweres Gelände bis zum Gipfel des Mittelpfeilers.

Der “Sinnfresser” ist eine Sagengestalt aus der tibetischen Mythologie sowie Inspirator und Namensgeber der Route (Messner Mountain Museum Firmian).

Philipp und Simon am Gipfelplateau des Heiligkreuzkofel.